Jahresgabe

Ohne Titel (2)

Matthias Groebel

Matthias Groebels Malerei ist eine Besondere. Ohne Pinsel, dafür auf einer Konstruktion basierend, mit der er ab Ende der 1980er Jahre die analogen Fernseh-Wellensignale in digitale Pixel übertragen konnte, extrahierte Groebel Fernsehstills aus dem bis Anfang der 2000er präsenten Satellitenfernsehen. Diese wurden vom Künstler überarbeitet und mithilfe einer selbst gebauten, automatisierten Airbrush-Pistole Punkt für Punkt, Zeile für Zeile auf Leinwand übertragen. Interessant waren für Groebel primär jene Bilder, die ohne vorherige redaktionelle Prüfung ausgestrahlt wurden: Nahaufnahmen von Gesichtern und Körperteilen mit großer Präsenz, die von der fast aufdringlichen Intimität erzählen, die das Fernsehen mit sich brachte. In Groebels Einzelausstellung im Kunstverein (2022) waren vor allem Portraits zu sehen, die den Besucher:innen meist indirekt entgegenblickten.
In der Reihe dieser Arbeiten nimmt seine Jahresgabe ebenfalls eine besondere Rolle ein. Zu sehen sind hier keine Gesichter, deren Minenspiele ursprünglich von einer Fernsehkamera eingefangen wurden, sondern ein kleineres Körperteil; durch Bewegung ebenso narrativ wie eine entsprechende Mimik. Die vier kleinformatigen Ansichten der Hände zeigen ein anderes Fragment der Erzählungen, die Groebel auf den größeren Leinwänden aus dem Fernsehprogramm in den Ausstellungsraum transportiert hat. Und doch wird auch hier die Unergründlichkeit deutlich, die einem Ausschnitt, dessen Vorher und Nachher nicht bekannt sind, automatisch eingeschrieben ist. Eine unterschwellige Gewalt ist bei Betrachtung spürbar – eine Hand hält eine Pistole, die sich vor dem dunklen Hintergrund aufzulösen scheint; eine andere ist zur Faust geballt und schiebt sich von einem zum anderen Bildrand; eine weitere wirkt durch einen dunklen Schatten oder etwas Längliches, das sie hält, fast wie zensiert. Und obwohl es keinen direkten Zusammenhang zwischen diesen Händen und den im letzten Jahr im Kunstverein gezeigten Portraits gibt, möchte man glauben, dass diese Blätter wie wichtige Hinweise funktionieren könnten, um über die eine oder andere Handlung, den ein oder anderen Gemütszustand der Darsteller:innen Aufschluss zu geben.
– Gesa Hüwe